Ultracycling Trainingsplan: Dein Weg zum Transcontinental Race

Ein strukturierter Trainingsplan für ein Ultracycling oder Bikepacking Event ist eine durchaus komplexe und in jedem Fall auch individuelle Sache. Wir alle kommen mit ganz unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen, Stärken und Schwächen. Und all dies sollte in einem optimalen Trainingsplan berücksichtigt sein.

Nichtsdestotrotz hilft es, sich auch am Beispiel anderer orientieren zu können. Daher erläutert dieser Blog-Post die grobe Struktur eines 20-wöchigen Trainingsplans.

Aber nicht irgendeines Trainingsplans. Hierbei handelt es sich um ein Beispiel aus meinem Coaching Alltag. Mit diesem Ultracycling Trainingsplan hat Heike 2024 als viertschnellste Athletin das Transcontinental Race erfolgreich gefinished. Der Plan ist also „race-proven“.

Den vollständigen Trainingsplan findest du bei Trainingpeaks (siehe unten).


Ziele des Trainingsplans

  • Einstieg in ein strukturiertes Training
  • Kombinierte Trainingsreize (K3-Training, Schwellentraining, VO2max)
  • Grundlagenausdauer über zwei Crash Cycle aufbauen
  • Selbstvertrauen über drei Challenges aufbauen
  • Ruhewochen bewusst steuern

Voraussetzungen für diesen Trainingsplan

  • Keine Erfahrung mit strukturiertem Training erforderlich
  • Mehrjährige Erfahrung auf dem Rad erforderlich bzw. (sehr) gute Grundlagenausdauer
  • Du solltest bereits Events im Bereich 1.000+ km auf dem Rennrad gefahren sein (verteilt auf mehrere Tage)
  • Herzfrequenzsensor und Wattmessung Indoor (Wattmessung Outdoor nicht erforderlich)

Einstieg in ein strukturiertes Training

Strukturiertes Training bzw. jede Form eines Trainingsplans braucht eine gewisse Transparenz. Das heißt es gilt deine Leistungszonen zu bestimmen. Dies geschieht in diesem Trainingsplan am Ende der ersten Woche. So hast du vorab ein paar Tage zur Gewöhnung an das Fahren strukturierter Einheiten.

Deine Leistungszonen (Watt und Puls) kannst du dann selbst mittels des CTS-Field Test bestimmen. Ein äußerst präziser und leicht durchzuführender Test zur Bestimmung der Laktatschwelle.

Hier findest du hier einen separaten Artikel zum CTS-Field Test.

Sobald deine Leistungszonen feststehen, kann das Training dann richtig losgehen. Gleichzeitig liegt hier auch einer der Hauptgründe, warum ein nicht individuell angepasster Trainingsplan seine Grenzen hat. Ein Leistungstest verdichtet die körperlichen Fähigkeiten auf eine Zahl. In diesem Fall den CTS-Wert und die daraus abgeleitete Laktatschwelle. Aus diesem Wert lassen sich sehr präzise Trainingsbereiche ableiten. Was ein fertiger Plan jedoch nicht leisten kann, ist eine Stärken- und Schwächenanalyse. Bist du zum Beispiel besonders gut darin nahe an deiner Schwelle zu fahren? Oder ist deine VO2max äußerst hoch im Vergleich zu deiner Schwellenleistung?

Hier würde ein individueller Trainingsplan sehr differenziert vorgehen und entsprechend die Schwerpunkte und deren zeitlichen Ablauf setzen.


Das Grobkonzept des Bikepacking-Trainingsplans

Dieser Plan geht davon aus, dass du bereits eine gute Grundlagenausdauer mitbringst und dich grundsätzlich bereit fühlst ein Event, wie das TCR, zu finishen. Gleichzeitig setzt der Plan keine Erfahrung mit strukturiertem Training voraus. Im Umkehrschluss sind die sehr intensiven Einheiten daher etwas spärlicher gesetzt. Stattdessen führen dich K3 und Schwellentrainings an das Thema heran. Äußerst belastende VO2max Einheiten folgen erst gegen Ende des Plans.

Ebenso enthält der Plan zwei Crash Cycle und drei Challenges. Dies hilft dir Selbstbewusstsein aufzubauen und gibt jede Menge Möglichkeiten die eigene Strategie und das Material zu testen. Tendenziell ist daher aber das Volumen sehr hoch – in jedem Fall höher, als es sein müsste. Unter mentalen Gesichtspunkten ist dies aber gerade für weniger erfahrene Athleten:innen leichter in der Umsetzung.

Im Umkehrschluss sind sehr bewusste Ruhewochen nötig. Ansonsten kann das hohe Volumen nicht aufrechterhalten werden und es droht die Gefahr eines Übertrainings. Hier gilt es die Ruhetage auszuhalten und wirklich die Füße stillzuhalten.


K3-Training: Kraft-am-Berg Intervalle

Die K3 Intervalle stellen den Einstieg in das strukturierte Training dar. Dabei handelt es sich um Intervalle, die bewusst bei niedriger Trittfrequenz (50-60 U/min) gefahren werden. Der Fokus liegt also auf der Maximierung des Drehmoments. Die Leistung wird konstant gehalten.

  • Dauer der Intervalle: 4 bis 20 Minuten
  • Intensität: Puls im oberen Grundlagenbereich und leicht darüber

Fährst du die Intervalle draußen, ist ein Berg mit möglichst gleichmäßiger Steigung ideal geeignet. Denn am Berg fällt es deutlich leichter die nötige Leistung konstant abzurufen und dennoch die Trittfrequenz niedrig zu halten. Alternativ ist diese Trainingsform perfekt auf der Rolle anzuwenden. Hierfür am besten den ERG-Modus der Rolle verwenden. So hält die Rolle die Leistung konstant und du brauchst dich nur auf die Trittfrequenz fokussieren.

Da in einem typischen Bikepacking Event deine Trittfrequenz im Laufe der Zeit tendenziell immer weiter sinken wird, handelt es sich um eine äußerst ultracycling-spezifische Trainingsform. K3 Intervalle dürfen daher in keinem Trainingsplan fehlen. Alleine schon um die muskuläre Belastung während eines Rennens im Training zu simulieren.

Hier findest du noch mehr Infos zum K3 Training.

Darunter auch die Abgrenzung zu anderen Formen des Krafttrainings, wie etwa Maximalkraft- oder Explosivkrafttraining, und du erfährst, wie du deinen Trainingsplan mit den anderen Formen des Krafttrainings weiter ergänzen kannst.


Schwellentraining: SteadyState Intervalle

Die zweite in diesem Trainingsplan genutzte Form von Intervallen sind sogenannte SteadyState Intervalle. Hierbei geht es darum möglichst lange nahe an deiner Laktatschwelle zu fahren. Um das Training einstiegsfreundlich zu halten, nutzt der Plan ausschließlich SteadyState Push Intervalle. Hier bleibst du also immer knapp unterhalb der Laktatschwelle. So verringert sich die Aufbaurate von Laktat und dein Körper wird besser darin das im glykolytischen Stoffwechsel freigesetzte Laktat anschließend im aeroben Stoffwechsel weiter zu verarbeiten. So gewinnst du aus einem Gramm Kohlenhydraten mehr Energie, da dein Stoffwechsel effizienter wird.

Du wirst im Laufe der Zeit immer länger an deiner Schwelle fahren können und wirst im Anschluss nur noch kürzere Pausen benötigen. Dies hilft dir enorm die am Berg erforderlichen hohen Intensitäten im Verlauf eines Bikepacking Events immer wieder wegzustecken.

Hier findest du noch mehr Informationen zu den verschiedenen Formen des Schwellentrainings.

Dieser Plan greift nur auf einfach durchzuführende Trainingsarten zu. Im separaten Blog-Post lernst du mehr Feinheiten und ausgefeiltere Intervallarten, wie etwa OverUnder Intervalle, kennen.


Crash Cycle: Das Herzstück des Trainingsplans

Das Herzstück dieses Trainingsplans sind zwei Crash Cycle. Dabei handelt es sich jeweils um eine Trainingswoche mit äußerst hohem Umfang. Dies dient der Simulation einer typischen Belastung im Ultracycling. So viel vorab: Das Volumen aus diesem Beispielplan ist nicht zwingend erforderlich, um erfolgreich Rennen wie das Transcontiental Race zu finishen. Mit einer optimierten Planung ist das ganze auch bei weniger Zeitaufwand im Training beziehungsweise gleichmäßigerer Verteilung der Trainingsstunden möglich.

Das Absolvieren von zwei derartigen „Trainingslagern“ hilft aber beim Einstieg enorm. Hier geht es also auch um den Aufbau von Selbstbewusstsein. Ganz wichtig ist aber im Umkehrschluss eine ausreichende Pausenzeit zur Erholung im Anschluss. Dieser Trainingsplan spreizt daher relativ stark. Es gibt Wochen mit äußerst hohen Umfängen und es gibt Wochen, in denen nur sehr wenig Zeit auf dem Rad verbracht wird. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier das Einhalten der Regenerations-Wochen.


Challenges: Selbstvertrauen und Testmöglichkeit

Aus demselben Grund beinhaltet der Plan gleich drei Challenges. Dabei handelt es sich um besonders lange Ausfahrten, die ebenfalls dem Aufbau von Selbstvertrauen und dem Testen der Strategie dienen. Aus rein physiologischer Sicht sind diese Einheiten im Grunde genommen unnötig lang. Deine Grundlagenausdauer wird durch andere Einheiten aufgebaut. Aber sie sind perfekt, um dein Bike-Setup, deine Ausrüstung, Ernährungsstrategie, Schlafstrategie und noch so vieles mehr zu testen.

Die Reihenfolge der Challenges kann auch getauscht werden. Hier startet es mit einem ca. 1.000 km langen Bikepacking Event (im ursprünglichen Plan meiner Athletin das Unknown Race). Im Anschluss folgen ein 400er und ein 600er Brevet. Entscheidend ist, dass die Challenges dich wirklich aus deiner Komfortzone herausbringen. Bist du schon drei 300er in der Vergangenheit gefahren, ist dies keine Challenge mehr.


Mehr Informationen und Ressourcen

Wenn du noch mehr über Ultracycling- bzw. Bikepacking-spezifische Trainingslehre erfahren möchtest, gibt es im Blog noch zahlreiche Artikel für dich.

  • Ernährung: Tipps für eine optimale Bikepacking-Ernährung inklusive Ernährungsrechner (Empfehlung zur Energiezufuhr und Aufteilung der Makronährstoffe basierend auf deinen physiologischen Daten und deiner Wettkampfstrategie) hier.
  • Cardiac Drift: Verstehe, wie du deine Leistung besser über die Herzfrequenz monitorst hier.
  • Superkompensation: Wie du das Verhältnis von Belastung und Erholung besser steuern kannst hier.

Den vollständigen Ultracycling-Trainingsplan, der Heike beim TCR geholfen hat, findest du hier auf TrainingPeaks.

Und bei YouTube gibt es eine ausführliche Besprechung des gesamten Plans. Hier bei YouTube ansehen.


Ultracycling & Bikepacking – Alles, was du wissen musst.

Willst du noch tiefer in das Thema Einstiegen, empfiehlt sich die Lektüre meines Buches. Hier gibt es mehr Raum, um in die Theorie abzutauchen und du findest zahlreiche Tipps und Tricks von meinen Interviewpartner:innen.

Buch: Ultracycling und Bikepacking: Alles, was du wissen musst.

Veröffentlicht von Stefan

Ultracyclist, Ironman, Medical Fitness and Endurance Coach

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