Glocknerman 2018 – Ultracycling Worldchampionships

Short Facts

  • Distanz: 1.000 km
  • Höhenmeter: 17.000 hm
  • Zeit: 50 h 9 min
  • Platzierung: 12. (2. Altersklasse unter 30)

Start und erster Tag

Vorab kann ich sagen, dass so ziemlich alles anders verlief als geplant und ich somit wirklich heil froh bin das Ziel erreicht zu haben. Der Start in Graz am Donnerstag Mittag verlief wie geplant. Das Los entschied über den Startplatz, sodass ich als 13. und somit im hinteren Mittelfeld eine angenehme Ausgangsposition hatte. Wie geplant, versuchte ich mich auf den ersten Kilometern bewusst zurück zu halten, um nicht dem Adrenalin und Geschwindigkeitsrausch zu verfallen. So weit so gut. Hierbei nicht bedacht, hatten mein Team und ich, dass dies auch eine deutlich geringere Kalorienzunahme mit sich bringt. Ich trank also fleißig meine Flüssignahrung und pumpte ohne Ende Iso ab. Das führte nach ca. 3h zum ersten Desaster. Mein Blutzucker war völlig durch die Decke gegangen und ich bekam Kreislauf- und Magenprobleme. Am ersten steilen Anstieg – der Soboth mit rund 1.200hm klettern – war ich zur ersten ungeplanten Rast gezwungen. Wir adjustierten ein wenig an der Ernährung – weniger Zucker und kleinere Portionen – aber ich fand nicht wirklich zu meinem Rhythmus zurück. Ich quälte mich die nächsten 150km die Straßen entlang und die Laune wurde langsam schlechter. Als nach Einbruch der Dunkelheit auch noch ein Gewitter aufzog und meine Magenprobleme sich zuspitzten, stand das Rennen kurzzeitig auf der Kippe. Kurz danach kam einer der Schlüsselmomente des Rennens. Mein Magen beschloss das Problem selbst zu lösen und es kam wie es kommen musste…..Ich war völlig am Ende. Hätte mir zu diesem Zeitpunkt jemand gesagt ich solle aufhören, hätte ich wahrscheinlich dankend angenommen. Aber meine Crew hat hervorragend reagiert. Kein einziges Wort vom Aufgeben, sondern reiner Pragmatismus und Durchhaltestärke. Also traf meine Crew die Entscheidung, dass ich weiterfahre und eine Stunde nur Wasser trinke, um hoffentlich einen Neustart hinzubekommen. Und siehe da, es hat funktioniert. Ab diesem Zeitpunkt stellten wir meine Ernährung vollkommen um. Keine Flüssignahrung mehr, sondern back to the roots – nur noch Kekse, Tucs, Cola. Und im weiteren Verlauf einfach alles wonach meinem Kopf der Sinn stand (von Milchschnitte bis Käsebrot). Für mich lief es ab da ganz gut. Mein Team war dafür umso mehr beschäftigt. Gar nicht so leicht nachts im ländlichen Österreich nahe der slowenischen Grenze noch was Essbares aufzutreiben.

Check-In am Vortag

Die erste Nacht

Die nächsten Stunden erhöhte ich also langsam das Tempo und fand in meinen Rhythmus zurück. In der Morgendämmerung der ersten Nacht gelang mir dann der Anschluss an das Feld. Zwischenzeitlich war ich leider deutlich als letzter abgeschlagen. Drei Überholmanöver im Dunkeln an sehr steilen Abschnitten (Hermagor) waren genau das richtige für den Kopf und trieben mich voran. Die Abfahrten waren dann wieder entsprechend herausfordernd für die Crew – ich glaube der Fahrer musste die StVO doch recht weit auslegen, um bei Spitzengeschwindigkeiten über 90km/h den Anschluss nicht zu verlieren.

Hinein in die Morgensonne

Der zweite Tag

Somit erreichte ich Freitag Mittag das zweite Mal die Timestation in Winklern am Fuße des Großglockner. Ab hier schoss das Adrenalin ein. Ich musste den Großglockner von beiden Seiten überwinden und spätestens um 22 Uhr wieder in Winklern sein, um nicht vom Rennen ausgeschlossen zu werden. In dem Moment für mich recht wenig Zeit für 140km mit fast 4.000hm. Aber die Motivation war enorm, sodass gefühlt zum ersten Mal ich derjenige war, der meinem Team einheizte. Entsprechend verlief der Anstieg überragend. Ich fühlte mich enorm stark und konnte mich fast um 2h gegenüber meiner Planung verbessern, sodass der Cutoff in keinerlei Gefahr war und ich bereits gegen 20 Uhr zurück war.

Checkpoint auf der Edelweißspitze

Die zweite Nacht

Die Hetzerei zollte jedoch auch seinen Tribut. Erschöpfung und Müdigkeit machten sich nach über 30h im Sattel breit. Daher die Entscheidung eine längere Pause einzulegen. Etwas Warmes zu essen und 90min zu schlafen. Der Schlaf tat ziemlich gut – aber führte bei mir auch zu großer Verwirrung. Als ich geweckt wurde, wusste ich so ziemlich gar nichts mit mir anzufangen. Also einfach losfahren. Das Zeitgefühl war ab jetzt aber völlig weg. Um 22:30 Uhr nach einem Nickerchen zu starten, fühlt sich sehr seltsam an. Zum Glück kamen nun erstmalig längere flache Passagen, sodass ich auf dem Triathlon-Rad und endlich auf einem anderen Sattel sitzen konnte. Das Tempo war dementsprechend gut. Lediglich die letzten 1-2h vor Sonnenaufgang waren wieder auf Grund meiner hohen Müdigkeit etwas kritisch. Hier half diesmal der iPod weiter.

Der dritte Tag und Zielankunft

Auch auf dem Rückweg hieß es erneut die Soboth zu bezwingen. Diesmal von der anderen Seite. Mit fast 900km in den Beinen leichter gesagt als getan, also nochmal alle Kräfte mobilisieren. Meine Crew wartete an jeder dritten Kehre, um mich nach vorne zu peitschen. Am Gipfel angekommen dann die Realisation, dass es fast geschafft ist. Noch 100km – nochmal auf das Triathlon Rad wechseln. Aber ab jetzt war das Tempo hoch. Jeder schnelle Kilometer bringt einen schließlich früher ans Ziel. Ab hier fährt das Pacecar die meiste Zeit direkt hinter mir und unser zweites Fahrzeug vorweg – da kommt nochmal richtig Rennatmosphäre auf. Nach gut 50h dann endlich die Zieleinfahrt in Graz. Ein unbeschreibliches Gefühl. Zwei Jahre habe ich mich auf dieses Rennen vorbereitet. Immer wieder stellt man sich im Training genau diesen Moment vor, um sich zu pushen. Wenn er dann endlich da ist, fühlt es sich irgendwie unwirklich an. Ich glaube erst jetzt realisiere ich langsam, was für eine Leistung das war. Meiner Crew geht es ähnlich. Wir alle haben den Aufwand und die emotionale Belastung während des Rennens etwas unterschätzt. Aber das schweißt zusammen. Jetzt kennt man sich noch besser – hat wirkliche Extremsituationen zusammen durchlebt und wir alle haben in gewisser Weise unsere Grenzen aufgezeigt bekommen. Von daher bin ich umso glücklicher, dass alle meine Betreuer beim nächsten Ultracycling Event wieder dabei sein wollen.

Veröffentlicht von Stefan

Ultracyclist, Ironman, Medical Fitness and Endurance Coach

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