Short Facts
- Start: Flensburg
- Ziel: Garmisch-Partenkirchen
- Distanz: 1.119 km
- Höhenmeter: 7.844 hm
- Zeit (brutto / netto): 52 h 01 min / 44 h 39 min
Start und der erste Tag
Vor dem Rennen hieß es erstmal an den Start nach Flensburg gelangen. Da ich in der Kategorie non-supported – also ohne Begleitcrew – gestartet bin, war die bequeme Anreise per PKW leider keine Option. Daher hieß es per Zug inklusive Bike von Frankfurt nach Flensburg anreisen. Im ICE ist leider keine Fahrradmitnahme möglich, daher ging für die Anreise tatsächlich ein ganzer Tag drauf. Zum Glück konnte ich dies noch mit einem kurzen Besuch der Verwandtschaft in Hamburg kombinieren. Donnerstag abends dann noch eine kurze Rennbesprechung und ein kleiner Rundgang durch den Flensburger Hafen. Bei schönstem Wetter eine gute Vorbereitung auf den Start. Noch einmal Runterkommen und die Gedanken sortieren. Am Freitag ging es dann los. Der Start war um halb 9 morgens. Auch hier wieder die Besonderheit des Fahrens ohne Crew – auch die knapp 5km vom Hotel bis zum Start müssen notgedrungen schon per bike überwunden werden. Aber so ist man am Start wenigstens schon eingefahren. Der Start sorgte dann bereits für die erste Komplikation. Mein Wahoo wollte die Strecke nicht so richtig laden, sodass ich am Anfang leichte Navigationsprobleme hatte. Da wir Starter aber im 2min Rhythmus auf die Strecke gingen, konnte ich getrost auf meinen ersten Verfolger warten und mich ihm anschließen bis die Technik ihren Dienst verrichtete. Morgens war die Luft noch angenehm kühl und der klare Himmel versprach bestes Wetter für den weiteren Rennverlauf. Entsprechend gut waren die Laune und das Tempo. Ein 30er Schnitt auf den ersten 300km spricht für sich. So konnte ich auf der ersten Hälfte des Tages regelmäßig wieder zu den Fahrern mit Begleit-Crew aufschließen was ziemlich motivierend war. Die notgedrungenen Stopps zur Selbstversorgung an Tankstellen und Co. warfen mich aber natürlich auch immer wieder nach hinten. Ich hatte vor dem Rennen für mich selbst festgelegt, dass mein erstes non-supported Rennen primär dem Lernen und Erfahrungen sammeln dienen soll. Insbesondere wollte ich eine neue Ernährungsstrategie ausprobieren, um solch ein Malheur wie beim Glocknerman zu vermeiden. Von daher konnte ich sehr entspannt fahren, da ich auf dem gesamten Weg durch Niedersachsen und Schleswig-Holstein konstant eine Stunde vor meinem selbst gesteckten Plan war.

Die erste Nacht
In den Abendstunden erreichte ich den Harz und das Rennen wurde langsam härter. Nicht nur die knapp 400km in den Beinen machten sich bemerkbar, auch die konstante Sonne während des Tages zeigte jetzt ihre Kehrseite auf. Der Wechsel von knapp 30 Grad tagsüber auf teilweise unter 10 Grad nachts in den Bergen machte meinem Körper schwer zu schaffen. Kombiniert mit der ohnehin eintretenden Erschöpfung kam mir der Temperatursturz wirklich extrem vor. Mir wollte einfach nicht mehr warm werden. So zog ich nach und nach alle Klamotten an, die ich dabei hatte (was mit Longsleeve, Beinlingen und Windjacke auch nicht sonderlich viel war). Aber auch das half nicht wirklich. Sondern führte nur dazu, dass ich bei jedem Anstieg ins Schwitzen und bei jeder kleinen Abfahrt ins Zittern kam. Der Einbruch der Morgendämmerung war daher ein echtes Highlight. Hier legte ich auch die erste längere Pause ein, um mich wieder aufzuwärmen und neue Kraft zu tanken. Also ein frischer Kaffee und Streuselkuchen beim gerade öffnenden Bäcker. Und dann der Start in den zweiten Tag.

Der zweite Tag
Auch am zweiten Tag wurden wir Fahrer mit strahlendem Sonnenschein beglückt. Bedeutete jedoch auch permanent anhalten zu müssen, um die drei am Rad befestigten Flaschen regelmäßig aufzufüllen. Zum Glück hatte ich jede Menge Salztabletten eingesteckt, sodass ich diese stündlich einnehmen konnte, um den Salzverlust auszugleichen. Gegen Mittag stellte sich bei mir erstmals der Motivationsverlust ein. Die durchfrorene erste Nacht machte mir immer noch zu schaffen. Im Nachhinein glaube ich aber, dass es eigentlich keine körperliche Erschöpfung, sondern Kopfsache war. Problematisch war für mich vor allem die Nähe zu meiner Geburtsstadt Fulda, welche teilweise schon auf den Straßenschildern ausgeschildert war. Somit war permanent eine zu diesem Zeitpunkt extrem verlockende Exit-Option vorhanden. Entgegen meiner normalen Gewohnheit mich auf das Ziel zu konzentrieren, beschäftigte ich mich zunehmend mit der Option das Rennen hier abzubrechen und spielte gedanklich die verschiedenen Möglichkeiten durch. Meine körperliche Erschöpfung konnte ich so natürlich nicht in den Griff bekommen. Also zog ich die Reißleine. Eine Pause zum Fokussieren musste her. Da die Sonne ohnehin erbarmungslos knallte, legte ich mich für einen 20minütigen Powernap in den Schatten, um danach meine Gedanken zu sortieren. Zwar konnte ich nicht wirklich schlafen, aber das Abschalten tat extrem gut. Anschließend schaute ich das erste Mal auf die Tracking App, um meine Position einschätzen und eine Entscheidung treffen zu können. Und siehe da…trotz der gefühlt langen Pausen stand ich sehr gut da. Der erste non-supported Fahrer war wie erwartet schon weit vorne, aber ich war an zweiter Stelle und das mit einem komfortablen Abstand von fast 100km. Und auch noch zwei Fahrer mit Crew waren hinter mir. Von da an war klar – aus so einer Position heraus kann man kein Rennen aufgeben nur weil der Kopf nicht mitspielt. Und siehe da, nach dieser Pause fand ich langsam zur alten Stärke zurück. Von nun an war die Heimatnähe ein echter Motivator, da ich die Berge rund um Kitzingen gut kenne. Erstaunlich was der Kopf alles ausmacht. Selbst eine Panne am Hinterrad konnte da die Stimmung nicht merklich trüben.
Die zweite Nacht
Da ich die zu Beginn des Rennens herausgefahrene Stunde Vorsprung auf meinen persönlichen Zeitplan die ganze Zeit über halten konnte, beschloss ich vor Einbruch der Dunkelheit am Samstag Abend erneut eine längere Pause einzulegen, um zu vermeiden dass die Erschöpfung mich nachts wieder zu sehr auskühlen lässt. Am schönen Mainufer bei Kitzingen gab es also eine ausgedehnte Pause inklusive Bad und das erste Mal ein komplett frisches Outfit. Gestärkt, ausgeruht und mit dem freshen Gefühl einer sauberen Buchse und Trikot ging es also in die zweite Nacht. Der Plan erwies sich als sehr gut. Die zweite Nacht verlief eigentlich ohne größere Probleme und mit solidem Tempo radelte ich gen Süden. Wenn man bereits 800km hinter sich hat, erscheinen die noch zu absolvierenden 300 paradoxerweise ziemlich wenig.
Der dritte Tag und Zielankunft
Die längere Pause vor Einbruch der Nacht zahlte sich rückblickend aus. Obwohl die Temperaturen von Samstag auf Sonntag auch wieder in den einstelligen Bereich fielen, hatte ich diesmal keine Probleme mit der Kälte. Bis in die frühen Morgenstunden liefen die Kilometer wirklich gut und es stellte sich immer mehr das Gefühl des Ankommens ein. Allerdings hatte ich mehr und mehr mit dem Schlafentzug zu kämpfen. Hier vermisste ich sehr mein Team, um mich hin und wieder abzulenken und wachzuhalten. Espresso und Kaffee en masse von der Tankstelle mussten dagegenhalten. Was allerdings nur bedingt half. Am Ende war es einfach das Gefühl das Ziel schon fast erreicht zu haben das mich die letzten 100km bis Garmisch getragen hat. Zur Mittagszeit dann die Zielankunft an der Skisprungschanze. Es ist geschafft. Einmal quer durch Deutschland – nonstop – und ohne fremde Hilfe. Ein unbeschreibliches Gefühl. Aus eigener Kraft seine gesamte Heimat zu durchqueren. Auf jeden Fall habe ich Blut geleckt und werde mich dem Abenteuer weiterer non-supported Rennen stellen.
