Short Facts
- 700 km
- 13.000 hm
- 38 h 37 min
Bastia nach Ghisoni
Am Montag 29. April um 5 Uhr in der Früh begann für mich das erste Rennen der diesjährigen Saison. Der Bikingman auf Korsika. Ein Solo non-support Rennen, dass insbesondere durch sein Höhenprofil eine Herausforderung darstellt. Korsika hat wirklich nicht von ungefähr den Beinamen the Mountain in the sea. Wobei die Insel auch seinem weiteren Spitznamen Jewel Island alle Ehre gemacht hat.



Gestartet wurde an der Küste in Bastia. Knapp 80 Fahrer rauschen kurz vor der Morgendämmerung durch die noch menschenleere Stadt. Gleich zu Beginn sind am ersten Anstieg über 500hm zu überwinden, wodurch das Fahrerfeld gut auseinander gezogen wird und trotz Massenstart keine Gefahr des Draftings besteht. Bei milden Temperaturen an der Küste kommt man gleich ordentlich ins Schwitzen. Die ersten Kilometer verlangen einem einiges an Konzentration ab. Es geht über sehr kleine Strässchen mit teils sehr schlechtem Belag in die Berge. Immer mal wieder Schotter, Sand oder Kühe, Schweine und ähnliches auf dem Weg. Noch dazu im Dunkeln, daher halte ich mich insbesondere bei den Abfahrten zurück. Der richtige Rhythmus will sich dadurch aber nicht einstellen. Nach knapp 60km dann auch noch ein Platten mitten in der Abfahrt. Ich verliere den Anschluss an die vordere Gruppe und falle zurück. Die Zwangspause stellt sich rückblickend doch als gut heraus. Ich nutze die Zeit, um mich erstmal zu fokussieren und repariere in aller Ruhe das Rad. Daher werde ich währenddessen allerdings noch von einigen Radlern eingeholt.



Im Laufe der weiteren Kilometer komme ich jetzt endlich in meinen eigenen Tritt. Bis zum ersten Checkpoint in Ghisoni nach 180km und gut 4.000hm habe ich dann auch wieder den Anschluss gefunden. An den Anstiegen fühle ich mich gut. Und man kann sich immer mal wieder mit den anderen Fahrern kurz austauschen.
Ghisoni nach Ajaccio
Am ersten Checkpoint genehmige ich mir erstmal eine längere Pause. Zum Speicher auffüllen gibt es ein großes Stück Lasagne, eine Orangina und endlich das erste Käffchen des Tages. Mit meinen Pausenzeiten bin ich diesmal sehr zufrieden. Auch im Bikepacking Modus hat sich scheinbar die nötige Routine eingestellt. Zuerst das Navi aufladen, kurz lockern. Dann ist der Puls schon im Komfortbereich, wenn man etwas isst. Und als letztes kurz frisch machen und die Verpflegung für den nächsten Abschnitt sortieren. So geht es dann nach einer knappen Stunde weiter in den Nationalpark. Die Luft im Vorderrad ist etwas knapp, aber ein freundlicher WoMo Fahrer kann mir unterwegs mit einer Standpumpe aushelfen. Bei korsischen Strassenverhältnissen sind 6 Bar aber auch völlig ausreichend. Die nächsten 140 km bis zum CP 2 in Ajaccio geht es durch den Nationalpark. Einige Kilometer kann ich zusammen mit Xavier aus Belgien fahren, sodass die Zeit hier wie im Flug vergeht. Zwar scheint die Sonne, aber die Temperaturen steigen selten über 12 Grad. Abgesehen von ein paar Stündchen am frühen Nachmittag ist daher leider nichts mit kurz / kurz.
Ajaccio nach Monticello
Gegen 10 Uhr erreiche ich Ajaccio. Einige Fahrer, die ich bei meinem Platten verloren habe, sehe ich nun doch wieder. Das motiviert mich meine Pause etwas kürzer zu halten als angedacht. Auch hier gibts eine warme Mahlzeit vom Orga-Team, welche ich jedoch im weiteren Verlauf bereue. Viel zu salzig. So viel Wasser konnte ich auf den nächsten Kilometern gar nicht runterspülen. Ansonsten lief die Ernährung in der Nacht ziemlich gut. Hier griff ich ausschließlich auf Flüssignahrung zurück, da diese im Dunkeln auch wesentlich einfacher zu sich zu nehmen ist. Dazu etwas Iso mit Koffein, um der Müdigkeit vorzubeugen. Danke Jochen für den Tipp während unserer ersten Riding4Europe Tour. Nichtsdestotrotz soll es eine harte Nacht werden. Die Müdigkeit kann ich mit guter Musik zwar in den Griff kriegen, aber es wird dazu noch ziemlich kalt. Stellenweise sinkt das Thermometer bis auf 2 Grad. Zu allem Übel fängt dann noch meine linke Partella Sehne an zu schmerzen und ich muss meinen Fahrstil anpassen, um einer Überbelastung vorzubeugen. Entsprechend komme ich nur sehr schleppend voran. Es geht in einem konstanten Auf und Ab die Küste entlang. Die Meeresbrandung als treuer Begleiter. Leider kann ich die schöne Strecke im Dunkeln nicht wirklich genießen. Gegen vier Uhr morgens dann die erste Überraschung. Plötzlich steht am Straßenrand wieder Xavier, der in Ajaccio ca. 30 Minuten vor mir aufgebrochen ist. Ich bin also nicht der einzige, dem die Nacht zu schaffen macht. Im weiteren kann ich noch Jason einholen, der sich in einem nicht abgeschlossenen Camper ein paar Minuten aufwärmt. In der Morgendämmerung schließe ich dann noch zu Christof auf, mit dem ich bis Monticello weiterfahre und meine französisch Kenntnisse aufpoliere. Kurz vor Monticello können wir auch noch Deniz aus Russland überholen. Dem hat die Kälte übel zugesetzt, da er auf Korsika nur schönes Wetter erwartet und daher keine lange Radhose oder Beinlinge dabei hatte. Keine gute Idee. Da helfen auch mit Panzertape um die Beine gewickelte Müllbeutel nicht viel.
Monticello nach Bastia
Endlich steht der letzte Abschnitt an. Noch 180km mit „nur“ noch 2.600hm. Alles bei strahlendem Sonnenschein und endlich warmen Temperaturen. Frisch gestärkt und auch wieder top motiviert breche ich von CP 2 Richtung Ziel auf. Die leicht wellige Strecke an der Küste ist genau mein Ding und ich kann endlich auch mal längere Strecken auf den Aerobars fahren und somit andere Muskelgruppen belasten. Hände und Hintern danken es. So geht es also zügig Richtung Cap Corse – der nördlichen Spitze Korsikas. Hier ist die Landschaft wieder atemberaubend. Strahlend blaues Meer, steile Klippen und der bekannte schwarze Strand dieser Region.




Als plötzlich hinter mir laut der Ruf „Barthsman“ ertönt und Eva, Marie und David mir einen Besuch abstatten, ist die Motivation nach einer kurzen gemeinsamen Pause noch grösser. Das hilft dann auch die scheinbar endlosen Schleifen am Cap Corse zu überstehen. Aber an Tempo habe ich scheinbar doch eingebüßt. Vielleicht auch weil mein selbst gestecktes Ziel von 40h zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Gefahr war. Auf jeden Fall war ich etwas überrascht als plötzlich Deniz an mir vorbeifährt. An Konversation war dieser leider nicht interessiert und ich bekam nur eine mürrische Antwort „it’s a competition“. Aber na gut, dann ist’s halt ne competition. Am Ende konnte ich ihm fast 30min auf 60km abnehmen. Bei Xavier war das schon schwieriger. Dem hat seine Pause in der Nacht scheinbar sehr gut getan und er hat auf dem letzten Abschnitt einfach mal die viert schnellste Gesamtzeit hingelegt. Entsprechend schnell schoss er von hinten an mir vorbei. Da ich aber noch im Rennmodus war, hielt ich dagegen und konnte dran bleiben. Es folgen zwei weitere Attacken, aber absetzten funktioniert nicht. Also fahren Xavier und ich wieder ein Stück plaudernd nebeneinander her. Für uns beide steht fest, dass es auf jeden Fall keinen Sprint auf der Zielgeraden in Bastia geben soll. Ca. 20 km vor dem Ziel dann der entscheidende Angriff. Begonnen von Xavier, aber ich kann bei leichter Steigung noch einen drauflegen und setzte mich ab.
So wird es am Ende nach guten 38 Stunden Platz 12. Für das erste Rennen der Saison ein voller Erfolg. Und einfach wahnsinnig viele Eindrücke von einer traumhaften Insel gesammelt. Jetzt steht ein bisschen Erholung auf dem Plan und am 30. Mai geht es ja auch schon in die zweite Runde für Riding4Europe. Zusammen mit Roman und Matti geht es auf über 1.000km durch die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Wie letztes Mal kann sich jeder gerne anschließen!